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Energienotstand im Westerwaldkreis
Antrag der Fraktion DIE LINKE. zur Kreistagssitzung am 07.10.2022
Energienotstand im Westerwaldkreis
Der Kreistag möge beschließen, dass
1. die Kreisvertretung unverzügliche einen „Runden Tisch Energienotstand“ unter Beteiligung von Vertretern der Kreisverwaltung, der Sozialverbände, der Mietervereine, der Gewerkschaften, der kommunalen Energieversorger und der kommunalen Spitzenverbände einberuft, der regelmäßig über notwendige Maßnahmen zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und kommunalen Unternehmen im Westerwaldkreis berät und den jeweiligen Verantwortungsträgern konkrete Handlungsempfehlungen unterbreitet.
2. die Kreisverwaltung den weiteren Ausbau von Energiesparberatungsstellen im Westerwaldkreis und die deutliche Stärkung der Beratungsstellen und der Programme zur Energieoptimierung und Wärmeeffizienz für Mieterinnen und Mieter und Menschen mit selbstgenutztem Wohneigentum vorantreibt.
3. er Westerwaldkreis einen finanziellen Rettungsschirm und ein Unterstützungsprogramm für kommunale Wohnungsbaugesellschaften, Energieversorger, Verkehrsunternehmen, Krankenhäuser, Pflege- und andere kommunale Einrichtungen der Daseinsvorsorge auflegt, um diese mit den erforderlichen Mitteln auszustatten, damit
a. Stadtwerke und kommunale Wohnungsvermieter finanziell in die Lage versetzt werden, befristete Miet- und Nebenkostenmoratorien für private Haushalte und Ratenzahlungen für Nebenkosten festzulegen, um sicherzustellen, dass Mieterinnen und Mieter nicht auf Produkte des täglichen Bedarfs verzichten müssen, um ihre Mieten oder Nebenkosten weiterhin pünktlich begleichen zu können. Damit soll Kündigungen wirksam entgegengetreten werden.
b. kommunale Versorger generell auf die Sperrung oder Abschaltung der Strom- und Gasversorgung für private Haushalte verzichten können.
c. Liquiditätsschwierigkeiten und Insolvenzen infolge von möglichen Zahlungsausfällen vermieden werden.
d. die Preise und Tarife insbesondere auch für den öffentlichen Personennahverkehr langfristig stabil gehalten werden können.
Begründung:
Bei einer Inflationsrate von 7,9 % im August dieses Jahres müssen immer mehr Menschen den Gürtel enger schnallen. Einer Insa-Umfrage zufolge, verzichten bereits 16 % der Menschen auf eine reguläre Mahlzeit. Treiber dieser Kostenexplosion sind vor allem die enorm gestiegenen Energiepreise, allen voran der Gaspreis.
Besonders dramatisch ist diese Entwicklung für einkommensschwache Haushalte und für die 13,8 Millionen Menschen, die in Deutschland in Armut leben (Armutsbericht 2022). Immerhin wenden einkommensschwache Haushalte heute schon ungefähr 12 % ihres Einkommens für Energie auf. Dennoch waren 2020 ca. 2 Millionen Menschen nicht mehr in der Lage, ihre Wohnung ausreichend zu beheizen (Monitoringbericht der Bundesnetzagentur 2021). Diese stehen im Winter letztendlich vor der Frage: Essen oder heizen? Denn die Kosten für Strom, Wärme und Mobilität sind dabei für die meisten Menschen kaum vermeidbar und die Einsparpotenziale durch individuelles Verhalten sind relativ gering.
In einer Nachbefragung zum KfW-Kommunalpanel 2022 im April gaben rund 50 % der teilnehmenden Kommunen an, dass die gestiegenen Energiepreise nur schwer oder gar nicht tragbar sind. Heute ist die Situation vieler Kommunen vermutlich noch schwieriger. Die gestiegenen Beschaffungskosten für Strom und Gas fressen die prognostizierten Gewinne vieler Stadtwerke auf. Außerdem drohen ihnen Einnahmeverluste durch zahlungsunfähige Kundinnen und Kunden. Bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben führen die gestiegenen Energiekosten ebenfalls zu unvorhergesehenen Mehrausgaben.
Deshalb besteht in vielen Bereichen ein dringender Handlungsbedarf, um den Menschen im Westerwaldkreis Entlastungen gewähren, kommunale Unternehmen vor der Insolvenz bewahren und die Kommunen bei der Umsetzung eigener Maßnahmen wirksam unterstützen zu können.
Nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE. steht der Westerwaldkreis in unmittelbarer politischer Verantwortung, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten Maßnahmen zu ergreifen, um die Menschen vor den tiefgreifenden finanziellen und sozialen Folgen der enormen Gas- und Energiepreissteigerungen zu schützen und eine bezahlbare Gas- und Energieversorgung sicherzustellen.
Zu dem hierfür erforderlichen Maßnahmenpaket gehören insbesondere der Ausbau von Energiesparberatungsstellen und die Einführung eines „Runden Tisches Energienotstand“. Letzterer soll etabliert werden, um regelmäßig über notwendige Maßnahmen zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und kommunalen Unternehmen zu beraten und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten.
Ein weiteres wesentliches Moment zur Abfederung des Energienotstandes stellen darüber hinaus möglichst weite (finanzielle) Handlungsspielräume für die Kommunen dar. Es braucht daher dringend einen Schutzschirm für Kommunen und ihre kommunalen Unternehmen, um Liquiditätsschwierigkeiten oder gar Insolvenzen abzuwenden. Außerdem müssen die Kommunen finanziell in die Lage versetzt werden, Maßnahmen ergreifen zu können, welche hoheitlich in ihren Aufgabenbereich fallen: So sollten Stadtwerken und kommunalen Vermietern die Mittel zur Verfügung gestellt werden können, welche sie benötigen, um zeitlich befristete Miet- und Nebenkostenmoratorien für zahlungsunfähige Kundinnen und Kunden anzubieten. Darüber hinaus bedarf es für einkommensschwache Haushalte bezahlbare Energie-Grundkontingente.