Aktivitäten

Haushaltsplan des Westerwaldkreises

Rede von Dr. Rudolf Schneider

Kreistagssitzung, 09.12.2022

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen & Kollegen,
sehr geehrte Damen & Herren,


natürlich muss man den Haushaltsplan des Westerwaldkreises für das Haushaltsjahr 2023 anerkennen: Keine Neuverschuldung, sondern ein Schuldenabbau, – wiederum ein Umlagesatz in Höhe von 40 % – und vor allem Kontinuität, wie in früheren Jahren. Das ist schon eine Leistung. Die Fraktion der LINKEN wird deshalb die Haushaltssatzung und den Haushaltsplan zumindest nicht ablehnen.

Aber sehen Sie es mir nach: Die Aufgabe einer Opposition besteht nicht in einem überschwänglichen Lob der Regierung, sondern in einer nüchternen Analyse der vorgelegten Fakten. Es ist deshalb unsere Pflicht, genau zu benennen, was der Preis für dieses vorgelegte Zahlenwerk ist. Die Kreistagsmitglieder sollen und müssen wissen, nicht nur was die Erwartungen und Versprechungen der Verwaltung sind, sondern auch was dafür zu zahlen ist bzw. was in diesem Plan eventuell nicht realisiert werden kann.

Ich möchte mit meiner Kritik des Haushaltsplanes damit beginnen, dass auf der vorletzten Sitzung des Kreisausschusses ein Kreistagsbeschluss abgeändert und weitgehend zurückgenommen wurde. Damals, vor einem Jahr, wurde im Rahmen der grassierenden Corona-Epidemie beschlossen, dass in allen kreiseigenen Schulen Raumlufttechnische-Anlagen eingebaut werden sollen. Die vom Bund hierfür bewilligten Fördermittel waren mit der Bedingung verknüpft, dass diese Maßnahmen bis Ende 2022 abgeschlossen sein müssen. Allerdings war das auf Grund von Lieferproblemen bisher nicht machbar bzw. weil die Planer keine freien Kapazitäten mehr hatten. Inzwischen wurde zwar 
eine Verlängerung auf Mitte 2023 erreicht, aber jetzt will plötzlich der Kreis nicht mehr. Auf besagter Kreisausschusssitzung wurde beschlossen, dass nur noch die bereits vergebenen Aufträge in Förderschulen ausgeführt werden. Alle weiterführenden Schulen, wie Realschule Plus oder Gymnasien, sollen auf den Einbau von Lüftungsanlagen verzichten. Stattdessen wird den Schülern und Schülerinnen empfohlen, öfter die Fenster aufzumachen. Ursache für diesen Beschluss waren Berechnungen, wonach die Energiekosten, die diese Lüftungsanlagen verursachen, zu hoch sind, – jedenfalls höher, als wenn man lüftet. Durch diese Maßnahme, heißt es in dem Papier, könnten 1,8 Mio. € eingespart werden. Nun, so einen Beschluss kann man natürlich leicht fällen, wenn man selbst in einem warmen und keimarmen Raum sitzt. Wie das die Schüler und Schülerinnen im Winter bewerkstelligen sollen, interessiert den Kreisausschuss leider nicht. Um einmal Klartext zu reden und um zu berichten, wie so etwas in der Praxis läuft, erzähle ich ihnen von meinen eigenen Erfahrungen als Lehrer. Mit frierenden Schülern lässt sich kein Unterricht machen. Nahezu alle Schüler und Schülerinnen ziehen es vor, lieber weniger zu frieren als in einer sauberen Raumluft zu sitzen. Bleiben also nur disziplinarische Maßnahmen von Seiten des Lehrers. Ehrlich gesagt: Das ist meiner Meinung nach auch keine akzeptable Lösung. Um es deutlicher zu sagen: Wenn uns im Kreishaushalt für das Jahr 2023 wunderschöne Zahlen präsentiert werden, dann ist das die Kehrseite, die wir bewusst ausblenden.

Ein weiteres Beispiel für eine unzureichende Investition ist das Straßenbauprogramm des Kreises. Die letzte Zustandsbewertung der Kreisstraßen kommt zum Schluss, dass sich der Zustand seit 2016 verschlechtert hat. 51 % der freien Strecken befinden sich in der schlechtesten Kategorie. Bei den Ortsdurchfahren sind sogar 54 % in einem desolaten Zustand. Deshalb kommt die Kommission zum Schluss, dass 52 % sofort erneuerungsbedürftig sind, was insgesamt 230 km Straße entspricht. Dies würde, laut Bericht, etwa 126 Mio. € an Investitionen kosten. In der Vergangenheit war die Aufstellung des Kreisstraßenbauprogrammes zum größten Teil von der Höhe der zu erwartenden Fördergelder abhängig und zwar unabhängig davon, wie dringlich der Straßenzustand beschrieben wurde. So ist es auch dieses Jahr wieder. Die vom Kreisausschuss am 21.11.2022 vorgeschlagenen Maßnahmen umfassen gerade einmal 5,1 Mio. €. Das, meine Damen und Herrn, ist der Preis, den wir für eine niedrige Kreisumlage von 40 % zahlen müssen. Dann kann man seine Straßen eben nicht mehr erhalten.
Außerdem ist mir im Haushaltsplan eine weitere Sache aufgefallen. Für die Errichtung von Photovoltaikanlagen auf kreiseigenen Gebäuden sind im Haushaltsplan gerade einmal 80.000 € veranschlagt worden. Dabei wäre dies doch eine sinnvolle Technik, die vor allem in der Zukunft teure Energiekosten einsparen hülfe. Die investierten Gelder würden wahrscheinlich schnell wieder in Form von Einsparungen zurückfließen. Leider auch hier: Fehlanzeige!
Ferner mangelt es an sinnvollen Investitionen in einen zukunftsweisen-den ÖPNV. Nur die Sanierung von ein paar Bushaltestellen ist zu wenig, um für das Zeitalter nach dem Verbrennungsmotor gerüstet zu sein! Hier wird die Zeit, die wir noch haben, um ins nächste Jahrzehnt zu gelangen, unproduktiv vertan – in der trügerischen Hoffnung, den Status Quo ins Unendliche verlängern zu können. Das wird leider nicht funktionieren. Die Summe, die wir am Ende bezahlen werden, wird so nicht kleiner werden.

Weiter vermisse ich ein intelligentes Programm zur Wohnungsbauförde¬rung. Zum Beispiel ein Programm zur Verbesserung der Wohnraum¬versorgung und des Wohnumfeldes im sozialen Bereich. So ist bekannt, dass günstige Wohnungen für Familien und Personen mit geringen Einkünften knapp sind. Da wäre es angebracht, wenn Anreize geschaffen werden, damit mehr günstiger Wohnraum zur Verfügung gestellt wird. Leider ist so etwas im Haushaltsplan nicht vorgesehen.

Auch bei der Kulturförderung hat man eher den Verdacht, dass das Geld der Portokasse entnommen werden soll. Ein wirklich beherztes Engagement für Kultur vermisse ich ehrlich gesagt. Ein Regionalmanager Kultur für den Westerwaldkreis, wie er auf der letzten Kreistagssitzung abgelehnt wurde, hätte da vielleicht etwas bewirken können.
Verstehen Sie mich nicht falsch – ich will die Leistung des Haushalts-plans für das Jahr 2023 nicht herabwürdigen. Aber ich hätte mir ein paar Investitionen mehr gewünscht, vor allem da, wo ich meine, dass sie zukunftsweisend sind. Die Fraktion der LINKEN wird deshalb nicht gegen den Haushaltsplan stimmen, sondern sich der Stimme enthalten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.