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Rede zum Nachtragshaushalt

Rede von Dr. Hugo Schneider zum Nachtragshaushalt

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen & Kollegen,
sehr geehrte Damen & Herren,

Der Nachtragshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2022 erbringe im Entwurf

- keine Verschlechterung sondern sogar noch eine geringfügige Verbesserung um 24.000 €,

- keine Nettoneuverschuldung, sondern sogar einen Schuldenabbau um 1,6 Mio. €,

- ausreichend liquide Mittel (ca. 12 Mio. €) und

- einen Haushaltsausgleich im Ergebnis- und Finanzhaushalt.

Es gebe zwar Veränderungen in den Teilhaushalten, doch hielten die sich die Waage und seien überwiegend nachvollziehbar.
Wenn man das so hört, wie vom Landrat soeben vorgestellt, dann möchte man sich fast bei ihm bedanken.
Doch leider trügt der Schein, wenn im Detail hinter die Fassade schaut.
Da meine Redezeit begrenzt ist, möchte ich nachfolgend nur auf den Teilhaushalt Jugend & Familie eingehen:
Insgesamt zeigt sich im Teilhaushalt Jugend & Familie eine Verbesserung um 1,37 Mio. €. Wo ist also das Problem?

 

Der Teilhaushalt ist in 3 Produkte unterteilt:

1. Tageseinrichtungen für Kinder

Dieses Produkt zeigt sogar eine Verbesserung um 2,27 Mio. €.

Ursachen:

a. „Erstattungen an freie und kommunale Träger sind im ursprünglichen Haushaltsentwurf zu hoch angesetzt worden“  Dies ist noch nachvollziehbar.

b. „Geplante Angebotserweiterungen wurden noch nicht alle umgesetzt“ Dies ist allerdings absolut nicht mehr nachvollziehbar!
Denn das KiTa-Zukunftsgesetzt ist bereits am 01.07.2021 in Kraft getreten und die Angebotserweiterungen sollten eigentlich seit über einem Jahr umgesetzt sein und sind es anscheinend bis heute noch nicht.

Man darf hier nicht vergessen: Die Leidtragenden sind die Schwächsten in unserer Gesellschaft, nämlich die Kinder, sowie ihre Eltern und vor allem das Personal der KiTas, das, wie sie alle wissen, ziemlich schlecht bezahlt ist.

Da klingt es fast sarkastisch und ironisch, wenn in der Handreichung zum Nachtragshaushaltsplan steht, dass Kostensteigerungen erst im Kreishaushalt der nächsten Jahre zu erwarten sind. Offensichtlich soll das Problem also noch absichtlich weiter verschleppt werden!

Die Belange der betroffenen Menschen scheinen die Verantwortlichen hier weniger zu rühren als möglichen Kosteneinsparungen. Vordergründig baut man zwar Schulden ab, hintergründig aber verwehrt man den einfachen Bürgern ihren gesetzlichen Anspruch. Da fragen wir uns, was ehrenrühriger ist: Die Sorge um die Menschen oder ein Schuldenabbau auf deren Kosten!

2. Hilfen zur Erziehung

Dieses Produkt ergibt eine Verschlechterung um 0,6 Mio. €

Ursachen:

a) Steigende Zahl von Hilfefällen infolge höherer Fallzahlen
insbesondere bei teuren Hilfen („Intensivfällen“), die eine intensive pädagogische Betreuung verlangen (Kinder- und Jugendpsychiatrie)

b. Allgemeine Preissteigerungen  höhere Entgeltsätze

3. Inobhutnahme und Eingliederung für seelisch behinderte Menschen

Dieses Produkt ergibt ebenfalls eine Verschlechterung um weitere 0,3 Mio. €

Ursachen:
a. Jugendliche, die aufgrund sexueller sowie aggressiver Auffälligkeiten schwer vermittelbar sind, müssen länger in Pflege bleiben
b. Zusatzpersonal in KiTas für seelisch behinderte Menschen

Zusammengefasst lassen die letzten beiden Ausführungen vermuten, dass die Fallzahlen und Entgeltsätze insgesamt in letzter Zeit gestiegen sind.

Eine Anfrage von uns LINKEN an den Landrat vom 20.08.2022 (zur Arbeitssituation im Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes im WW-Kreis) brachten in diesem Zusammenhang ein paar Dinge an den Tag:

So haben sich die ambulanten und stationären Hilfen in den letzten 10 Jahren im WW-Kreis in etwa verdoppelt.

Dabei ist die Zahl der Mitarbeiter im Jugendamt zwar ebenfalls gestiegen, aber bei weitem nicht so stark wie die Fallzahlen.

Die durchschnittliche Fallzahl liegt bei etwa 60 Fällen pro Mitarbeiter. Als ideal werden üblicher Weise 35 – 40 Fälle pro Mitarbeiter angesehen. Zwar muss man hier berücksichtigen, dass im WW-Kreis bestimmte Sonderdienste ausgeklammert sind, weil sie von speziellen Mitarbeitern verrichtet werden, die hier nicht mit eingerechnet sind. Dennoch bleibt insgesamt festzuhalten, dass die Fallzahl pro Mitarbeiter im WW-Kreis deutlich zu hoch ist!

Ferner gibt es im Jugendamt des WW-Kreises immer noch keine „digitale Akte“. Mit anderen Worten: Die Aktenverwaltung im Jugendamt erfolgt noch immer semi-professionell, obwohl die Mitarbeiter*innen eigentlich besseres zu tun hätten, als sich bei ihrer Arbeit mit Bürokratie zu beschäftigen.


Nach allem was hier angeführt wurde, fragen wir uns, wie es sein kann, dass im Teilhaushalt Jugend & Familie Gelder eingespart werden, die dringend für notwendige Angebotserweiterungen und Investitionen benötigt werden.

Sparen kann nicht immer die oberste Devise sein. Insbesondere dann nicht, wenn die Einsparungen zu Lasten der betroffenen Bürger gehen und einer effizienten Arbeitserledigung nach guter fachlicher Praxis entgegenstehen.

Wir von den LINKEN werden deshalb die Zustimmung zur Nachtragshaushaltssatzung und zum Nachtragshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2022 verweigern.