Nachrichtendetail

Menschen vor Profite. Für einen Strategiewechsel in der Pandemiebekämpfung

Die Pandemie ist nicht unter Kontrolle. Sie hat sich weltweit beschleunigt und vertieft: Mehr als 137 Millionen Infizierte und fast 3 Millionen Tote sind die traurige Bilanz.

Die Pandemie ist nicht unter Kontrolle. Sie hat sich weltweit beschleunigt und vertieft: Mehr als 137 Millionen Infizierte und fast 3 Millionen Tote sind die traurige Bilanz. Das Virus ist so tief in Gesellschaften eingedrungen, dass es häufiger mutiert – es wird ansteckender und damit gefährlicher. Wir befinden uns mitten in der dritten Infektionswelle. Die Inzidenzen steigen, die Krankenhäuser füllen sich und mit den Virus-Mutationen drohen mehr schwere Verläufe und noch mehr gesundheitliche Langzeitschäden – auch für Jüngere.

Die Bundesregierung will mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes jetzt zwar mehr Kompetenzen in der Pandemiebekämpfung auf der Bundesebene, setzt jedoch auch mit den bundesweiten Regelungen ihre gescheiterte Strategie fort: einseitige Eingriffe ins Privatleben und in einzelne Branchen wie Kultur und Gastronomie statt eines tragfähigen Konzepts zur Pandemiebekämpfung. Der Lockdown in Deutschland dauert länger, weil er vor allem auf die Freizeit konzentriert ist, und wichtige Bereiche der Arbeitswelt (etwa den Infektionsschutz in Frachtzentren, Fleischindustrie, Produktionsstätten und Sammelunterkünften) ausklammert.

Die Bundesregierung spricht von einer »Notbremse« und einem »Brücken-Lockdown«, doch das sind Lippenbekenntnisse. Eine Notbremse ist per Definition eine »technische Vorrichtung zur Auslösung einer sofortigen Bremsung, um Gefahr abzuwenden«. Erst bei einer Inzidenz von 100 oder 200 zu bremsen ist unverantwortlich. Die Bundesregierung riskiert damit auch eine höhere Zahl an Toten. Das ist gesundheitspolitisch eine Sackgasse und gesellschaftspolitisch ein Skandal.

Wir brauchen verbindlichen Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt. Trotz Masseninfektionen in verschiedenen Firmen werden Unternehmen kaum kontrolliert. In den Arbeitsschutzbehörden fehlt seit Jahren Personal. Es fehlt bis heute eine verbindliche Regelung zum Homeoffice für Beschäftigte. Die Folge: Infektionsketten im Arbeitsleben werden nicht unterbrochen – das gefährdet die Gesundheit und das Leben vieler Menschen. Wissenschaftler*innen fordern mindestens drei Tests pro Woche in den Betriebenen als ein verpflichtendes Angebot. Davor scheut die Regierung nur aus falscher Rücksicht auf die Unternehmen zurück. Die quälenden Einschränkungen im Privatleben, das Hin und Her von Schulöffnungen und -schließungen, die Folgen des Lockdown für kleine Betriebe und den Kulturbereich werden so verlängert. Je länger die Einschränkungen andauern, desto mehr gehen die Menschen werden die psychisch, sozial und wirtschaftlich auf dem Zahnfleisch.

DIE LINKE lehnt flächendeckende Ausgangssperren ab. Sie sind in dieser Situation unverhältnismäßige Einschränkungen elementarer Grundrechte. Sie treffen Menschen mit zu kleinen Wohnungen, Obdachlose und eh schon an den Rand gedrängte Menschen besonders.

Die von der Bundesregierung verfolgte Strategie mittlerer Inzidenzwerte, die sich maßgeblich an der Zahl freier Intensivbetten orientiert und neue Wellen der Pandemie durch zögerliches Handeln in Kauf nimmt, ist gescheitert. Sie gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung. Die Pandemie verschärft die soziale Spaltung: Wer ärmer ist, infiziert sich häufiger, der Verlauf ist schwerer, die Wahrscheinlichkeit zu sterben größer.  Die Leidtragenden dieser Politik sind die Lohnabhängigen, die trotz Lockdown weiterarbeiten müssen und sich damit einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen, Menschen mit niedrigen Einkommen, in beengten Wohnverhältnissen, Familien und Alleinerziehende und Kinder und Jugendliche, die unter den Schließungen von Kitas und Schulen leiden. Ebenso die mehr als eine Million kleinen Selbständigen, Scheinselbständigen und Beschäftigte in den Bereichen Kunst und Kultur, Tourismus und Gastronomie.

Es ist klar: So kann es nicht weitergehen!

Als LINKE fordern wir einen Strategiewechsel in der Pandemiebekämpfung hin zu einer Niedrig-Inzidenz-Strategie, um die Infektionsketten wirksam zu unterbrechen und alle in dieser Krise sozial abzusichern. Dazu haben wir seit Beginn der Coronakrise Vorschläge unterbreitet, wie z.B. ein monatlicher Pandemie-Zuschlag und ein Überbrückungsgeld auch für Freischaffende, Selbstständige. Wir fordern seit Sommer 2020 Luftfilter für Schulen und Kitas, kostenfreie FFP2-Masken, mehr Personal in den Gesundheitsämtern und mehr kostenfreie Tests.

Die LINKE begrüßt die verschiedenen Vorschläge aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft für einen Niedrig-Inzidenz-Strategiewechsel. Es geht um die deutliche Reduzierung der Fallzahlen geht, damit die Pandemie wieder kontrollierbar wird. Es geht um eine ganz andere Strategie:  »Raus aus dem Lockdown-Jojo« und rein in eine nachhaltige und solidarische Bekämpfung der Pandemie. Es geht darum, niemanden zurückzulassen und einen Rettungsschirm für die Menschen zu spannen. Es geht um die Einführung einer Vermögensabgabe für die Reichen und eine gerechte Verteilung von Impfstoffen, auch durch die Freigabe der Patente.

DIE LINKE lädt deshalb Gewerkschaften, Sozialverbände, linke Organisationen und soziale Bewegungen ein, zu gemeinsamen Protesten (natürlich unter Einhaltung der Hygienebedingungen) lokal, regional und bundesweit aufzurufen.

Niedrig-Inzidenz-Strategie statt Lockdown-Jojo

Die 7-Tage-Inzidenz auf 100 Fälle pro 100.000 Einwohner zu drücken ist kein angemessenes  Ziel, denn die Gesundheitsämter sind auch bei diesem Wert noch viel zu stark belastet. Das ist die Fortsetzung der falschen Strategie und damit drohen weitere Infektionswellen und ein Zustand des Dauerlockdowns. Ziel sollte ein Inzidenzwert im niedrigen zwei-stelligen Bereich (pro 100.000 Einwohnern) sein. Erst mit diesem tiefen Niveau wird es möglich sein, Infektionsketten vollständig nachzuverfolgen. Diese Mindestforderung entspricht einem breiten wissenschaftlichen Konsens.

Die Bundesregierung spricht von einer »Notbremse« und einem »Brücken-Lockdown«, doch das sind Lippenbekenntnisse. Die dritte Welle kann weder durch Testungen, noch durch Impfungen schnell gestoppt werden. Es braucht einen effektiven Lockdown:dazu gehört an erster Stelle die Arbeitswelt aber eben auch Schulen, Kitas. Die Schulen und Kitas bei hohen und steigenden Fallzahlen offen zu halten ist eine Gefahr für die Gesundheit der Beschäftigten, Kinder und deren Eltern.

Wirksamer Infektionsschutz in der Arbeitswelt statt Appelle an die Unternehmen

Unternehmen müssen pro-aktiv nachweisen, dass in den Betrieben die AHA-Regeln, Maskenpflicht und Arbeitsschutz einhalten. Ab einer 7-Tage-Inzidenz von über 20/100.000 Einwohner müssen Betriebe verpflichtet werden, Home-Office zu ermöglichen - und umgekehrt nachweisen, wenn Home-Office nicht möglich ist. Eine Homeoffice-Regelung für nur 50 Prozent der Belegschaft ist nicht ausreichend. Bei Nichteinhaltung müssen hohe Geldstrafen verhängt werden.

  • Beschäftigte aus besonderen Risikogruppen (u.a. Beschäftigte über 60 Jahre) sollten in Bereichen, in denen kein dauerhaftes Home-Office möglich ist, das Recht haben mit erhöhtem Kurzarbeitergeld freigestellt zu werden. Auftretende Personalengpässe müssen durch eingeschränkten Betrieb oder mehr Personal aufgefangen werden, Überstunden mit gesetzlichen Zuschlägen bezahlt werden. Diese Regelung sollte für acht Wochen gelten.
  • Sammelunterkünfte für Beschäftigte – etwa in der Fleischindustrie, Saisonarbeit, Baugewerbe u.a. – müssen geschlossen und sofort durch Unterbringung etwa in Hotels durch die Arbeitgeber ersetzt werden. Die Arbeitgeber müssen verpflichtet werden, zeitnah angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Auch Sammelunterkünfte für Obdachlose und Geflüchtete müssen durch angemessene dezentrale Unterbringung ersetzt werden.
  • Testungen müssen für die Arbeitgeber verpflichtend sein und die Kosten von den Arbeitgebern getragen werden. Tritt bei den Tests ein Infektionscluster auf, muss der Betrieb für mindestens 14 Tage geschlossen werden, das Arbeitsschutzkonzept auf den Prüfstand und vor Öffnung vom Gesundheitsamt genehmigt werden. Beschäftigte müssen für Lohnausfälle in voller Höhe entschädigt werden. Das Kurzarbeitergeld muss für alle Beschäftigten in Kurzarbeit sofort auf 90 Prozent, im Niedriglohnbereich auf 100 Prozent erhöht werden. Die LINKE fordert außerdem für Solo-Selbständige und Kleinunternehmern die Zahlung eines »Unternehmer-Lohns« von 1200 Euro pro Monat.

Nachhaltige Exit-Strategie statt blinde Lockerungen

Auch bei langsamem Abklingen der Neuinfektionen nach einem erfolgreichen Lockdown ist die Gefahr, die von dem Virus ausgeht, nicht vorbei. DIE LINKE fordert eine nachhaltige Exit-Strategie aus einem Lockdown.  Dazu gehören auch verbindliche Regelungen zum Gesundheitsschutz in Betrieben, Schulen und KiTas, wie kostenfreie regelmäßige Test und kostenfreie Bereitstellung von FFP2-Masken.

Wir fordern ein Sofort-Programm für Gesundheitsschutz und Bildungsgerechtigkeit, für mehr Personal und bessere Ausstattung in Kitas und Schulen statt Milliarden-Subventionen für Konzerne!

Kostenlose regelmäßige Coronatests für alle

Die Testkapazitäten von 2 Millionen pro Woche sind viel zu wenig, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. DIE LINKE fordert den Ausbau der PCR-Kapazitäten für Massentests auf mindestens 20 Millionen pro Woche bis Mai 2021. Der Zugang zu Tests muss erleichtert werden. Risikogruppen, wie Beschäftigte in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Assistenz, Kitas und Schulen, bei der Post oder Paketzustellern müssen vor jedem Schichtbeginn kostenfrei, durch geschultes Personal getestet werden. Ergänzend sind regelmäßige Massentests wichtig, um Ausbrüche frühzeitig zu erkennen.

Nachhaltigkeit durch Beteiligung

Bildung und Lernen sind wichtiger als Prüfungen. Deswegen fordern wir in diesem Schuljahr weitgehend auf Klassenarbeit, Prüfungen und Zeugnisnoten zu verzichten. In Betrieben müssen Belegschaften, Betriebsräte und Gewerkschaften stärker an Entscheidungen über Hygienekonzepte beteiligt werden. Wir fordern:Ein Milliarden Sofort-Programm für die Schulen statt Milliardenpakete für die Konzerne!

Öffentlichen Gesundheitsdienst massiv ausbauen

Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) wurde in den letzten Jahren kaputtgespart. Das rächt sich jetzt. DIE LINKE fordert die sofortige Einstellung und Ausbildung von 20.000 Beschäftigten für die Kontaktnachverfolgung, sowie eine Erhöhung der Löhne und Gehälter im ÖGD. Nur mit geschultem Personal in den Gesundheitsämtern kann eine effektive Kontaktverfolgung und Eindämmung gelingen.

Mehr Personal in Gesundheit und Pflege statt Privatisierung von Krankenhäusern

Die durch das Coronavirus ausgelöste Krise trifft die Gesellschaft auch deshalb so hart, weil der öffentliche Sektor jahrzehntelang kaputtgespart wurde. Der gesamte Gesundheits- und Pflegebereich muss sofort und nachhaltig ausgebaut werden. DIE LINKE fordert ein Sofortprogramm für mehr Personal und höhere Löhne. Das Profitstreben im Gesundheits- und Pflegebereich gefährdet die kollektive Gesundheit. Wir verlangen die Rücknahme bisheriger Privatisierungen und Schließungen. Die Finanzierung von Krankenhäusern über Fallpauschalen muss durch eine solidarische Finanzierung des Bedarfs ersetzt werden.

Soziale Absicherung für alle statt Milliardengeschenke an Konzerne

Wir fordern die Ausweitung und Erhöhung des Kurzarbeitergelds und der Grundsicherung. Freischaffende und Selbstständige brauchen ein schnelles Überbrückungsgeld, welches nicht nur Betriebskosten, sondern auch die Lebenshaltungskosten bezuschusst. Werden Schulen und Kitas geschlossen, müssen Eltern für den gesamten Zeitraum ein auf 90% erhöhtes Corona-Kinderkrankengeld erhalten. Bei Unternehmen, die staatliche Hilfen in Anspruch nehmen, fordern wir eine Arbeitsplatzgarantie und Tariftreue. Weitere Bedingungen für staatliche Hilfen sind: keine Dividendenausschüttung, keine Boni und Obergrenzen für Managergehälter.

Solidarische Finanzierung durch Besteuerung hoher Vermögen

Seit Anfang 2020 hat die soziale Ungleichheit weiter zugenommen. Fast 60 000 zusätzliche Millionäre, 45 Familien besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Das Nettovermögen der Superreichen in Deutschland ist auf über 500 Mrd. Euro angestiegen. Wir plädieren für eine Vermögensabgabe als eine außerordentliche Finanzierungsmaßnahme.  Die starken Schultern der reichsten 0,7 Prozent in unserem Land sollten hier einen solidarischen Beitrag leisten. Für den Aufbau und die Stärkung einer solidarischen Infrastruktur und mehr Personal in Bildung, Erziehung, Gesundheit, Pflege, öffentlichem Nahverkehr und besserer digitaler Infrastruktur fordert DIE LINKE zudem eine Vermögensteuer, die Vermögen (ohne Schulden) oberhalb von einer Million Euro (mit bis zu 5 Prozent) belastet.

Tempo beim Impfen erhöhen statt auf den Markt setzen

Impfstoffe müssen globales Gemeingut werden. Die Pandemie kann nicht in einzelnen Ländern oder Kontinenten bekämpft werden, sondern nur global. Auch deshalb müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, ärmeren Ländern den Zugang zu Impfstoffen zu ermöglichen. Es ist nicht hinnehmbar, dass staatliche Impfstrategien abhängig sind von Profitinteressen und Kapazitäten privater Pharmaunternehmen. DIE LINKE fordert, die Freigabe von Patenten, um die Produktionskapazitäten für Impfstoffe im In- und Ausland zu erhöhen.

Solidarische Pandemiebekämpfung statt Demokratieabbau und Ausgangssperren

Fast überall auf der Welt setzen die Regierenden zur Bekämpfung der Coronakrise auf repressive Maßnahmen. Die Ausweitung staatlicher Kontrolle ist ein Kennzeichen eines Kapitalismus im Krisenmodus. DIE LINKE lehnt unverhältnismäßige Grundrechtseinschränkungen, verstärkte Überwachung oder Ausgangssperren zur Bekämpfung des Virus ab. Die erkämpften demokratischen Bürgerrechte dürfen in der Pandemie nicht geopfert, sondern müssen entschieden verteidigt werden.

Um die 3. Welle zu brechen, ist ein harter Durchgriff auch gegen die Profitinteressen der Unternehmen nötig, damit rund um die Lohnarbeit ein effektiver Beitrag zur Eindämmung geleistet wird. Angela Merkel und Jens Spahn setzen einseitig beim Freizeitleben und der Kultur an. Dies gilt es zu ändern.

 

Hier geht es zum Beschluss des Parteivorstands