Stellungnahme zur Kreistagsitzung vom 11.12.2020 von Dr. Rudolf Schneider

Stadtratsfraktion

Da in der Kreistagsitzung vom 11.12.2020 keine Aussprache der Fraktionen zugelassen war, sollen auf diesem Wege einige Anmerkungen zu den Tagesordnungspunkten angeführt werden:

So wurde unter Punkt 6 eine Änderung der Gebührensatzung für die Abfallentsorgung beschlossen, nachdem vorher festgestellt worden war, dass der Westerwaldkreis-AbfallwirtschaftsBetrieb (WAB) einen Jahresverlust von 116.345,12 € gemacht habe. Ursache hierfür sei die veränderte Abzinsung der zu bildenden Deponienachsorgerückstellungen. Ferner sei der Papierverkauf und der Kompostrückkauf rückläufig, während die Sonderabfälle, Grünabfälle und auch die Abfälle aus Haushalten und Gewerbebetriebe in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen seien. Vor allem ein nachträgliches Aussortieren von Plastikmüll hätte hohe Summen verschlungen. Der Jahresverlust soll nun durch eine Erhöhung der Müllgebühren ausgeglichen werden. Hierzu ist zweierlei anzumerken:

Erstens sollte eine Erhöhung der Müllgebühren sozialverträglich sein. Insbesondere einkommensschwache Familien sind durch eine Erhöhung der Müllgebühren einseitig betroffen. Wir lehnen es deshalb ab, die höheren Kosten einfach gleichmäßig auf alle Haushalte zu verteilen. Müllentsorgung gehört zur Grundversorgung, weshalb eine Erhöhung der Müllgebühren den finanziellen Spielraum einkommensschwacher Familien deutlich stärker einengt als den von bessergestellten Familien.

Zweitens hat der Westerwaldkreis-AbfallwirtschaftsBetrieb (WAB) zu wenig Anstrengungen unternommen, um das Müllaufkommen insgesamt zu vermindern. Es wurden kaum Anreize gesetzt und es sind keine Anzeigen geschaltet worden, wie Müll vermieden werden oder zumindest Plastikabfall aussortiert werden können. Ganz im Trend liegen heute beispielsweise „Unverpackt“-Läden. Was läge also näher, als mit diesen gemeinsame Aktionen zur Müllvermeidung zu starten. Offensichtlich aber sieht man in größeren Müllbergen eher eine Chance, das eigene Unternehmen zu vergrößern, mehr Mitarbeiter und höhere Investitionssumme bewilligt zu bekommen frei nach dem Motto: Erfolg durch Wachstum. Dabei wäre eher eine Reduzierung der Müllberge und eine Verkleinerung der WAB im Interesse der Bürger und des Westerwaldkreises.

Dann wurde eine ganze Reihe von Anträgen in die Ausschüsse verwiesen. Da wir LINKEn aus mehrheitlichen Gründen kaum in Ausschüssen vertreten sind, haben wir keine Möglichkeit hier mitzuwirken. Aus diesem Grund seien weitere Anmerkungen erlaubt.

Die Fraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN beantragten, dass auf Flächen im Eigentum des Westerwaldkreises und der WAB Blühflächen angelegt werden. Wir von der Fraktion DIE LINKE befürworten diesen Antrag ausdrücklich. Wir meinen darüber hinaus, dass der Westerwaldkreis kostenlos Sämereien an interessierte Bürger abgeben solle, die ihre privaten Grün- oder Rasenflächen oder gar Steingärten beblühen wollen. Ferner gibt es Knicks oder Randstreifen von Feldern, die bisher landwirtschaftlich nicht genutzt werden. Wenn Landwirte die Sämereien für Blühflachen kostenlos vom Kreis gestellt bekommen würden, wären vielleicht einige bereit, diese Flächen bürgerfreundlich zu bewirtschaften. Der Landkreis müsste unserer Meinung nach ein vitales Interesse haben, die Vielfalt auf unseren Fluren zu fördern, nicht nur weil dies schöner aussieht, sondern auch weil es dem Artenerhalt, vor allem von Vögeln und Insekten, nützt und Monokulturen und der Vermaisung von Landstrichen entgegenwirkt.

Dann wurden verschiedene Anträge von CDU und SPD eingereicht, in denen die ärztliche Versorgung im Westerwaldkreis sichergestellt werden soll, weil in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich zwei Drittel der bestehenden Haus- und Facharztsitze neu zu besetzen sind. Denn immer weniger junge Mediziner möchten eine eigene Praxis auf dem Land. Das Ansinnen dieser Anträge richtet sich nun vornehmlich an Medizinstudenten bzw. junge Mediziner, um sie für den Westerwaldkreis gewinnen zu können. Wir von der Fraktion DIE LINKE unterstützen diese Anträge bis auf einen von der SPD. Darin fordert die SPD die Einrichtung eines kreiseigenen „Welcome Centers“ mit einer eigens einzurichtenden Personalstelle. Diese mit kreismitteln finanzierte Person soll sich speziell „beim Finden eines passenden Arbeitsplatzes für die Partnerin/den Partner, beim Finden von passenden Kinderbetreuungsangeboten oder auch beim Finden passenden Wohnraums“ einschalten und lenkend eingreifen. Man stelle sich also vor: Da hat eine Frau oder ein Mann nun endlich eine Zusage zu einer Stelle erhalten und dann wird diese Zusage ein paar Tage später mit der Begründung annulliert, dass sich ein Kreisbediensteter eingeschaltet und verlangt habe, die Stelle der Arztgattin zuzusprechen, damit sich deren Mann im Westerwald niederlasse. Einmal von der Sinnhaftigkeit der Maßnahme ganz abgesehen, wird es normalen Bürgern wohl nur schwer zu vermitteln sein, weshalb eine sowieso schon privilegierte Berufsgruppe nun noch weiter zu bevorteilen sei. Andere Maßnahmen, wie etwa Zuschüsse oder Kredithilfen für die Übernahme von bestehenden Praxen, sind da, glauben wir, wesentlich zielführender. Es ist uns umso rätselhafter, wie sich gerade die SPD, die sich soziale Gerechtigkeit und den Abbau von Privilegien auf ihre Fahne geschrieben haben, zu so einem Antrag hinreißen ließen.