Reden der Linksfraktion im Kreistag

Die drei Reden, welche Dr. Rudolf Schneider für die Linksfraktiom am 31.3. im Kreistag hielt, dokumentieren wir hier:

 

Besser Katastrophenschutz im Westerwald ist nötig

Stellungnahme von Dr. Rudolf Schneider von der Fraktion der LINKEN
im Westerwälder Kreistag zu Top 12 „Katastrophenschutz im
Westerwald: Notfalltreffpunkte in den Gemeinden fördern“ in der
Kreistagssitzung vom 31.03.2023:

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen & Kollegen,
sehr geehrte Damen & Herren,

auf Grund der Erfahrungen beim Ahr-Hochwasser begrüßen auch wir
von der Fraktion der LINKEN den Ausbau und die Verbesserung des
Katastrophenschutzes im Westerwaldkreis. In diesem Sinne halten wir
die Einrichtung und Ausstattung von Notfalltreffpunkten, die als
Erstanlaufstelle für die Bevölkerung dienen können, für eine sinnvolle
und zielführende Maßnahme.

Doch bezweifeln wir, dass 7.500 € pro Ortsgemeinde ausreichen
werden, um das erforderliche Equipment wie Notstromaggregate,
Notheizsysteme, Kommunikationseinrichtungen sowie Erste-Hilfe-
Einrichtungen anschaffen zu können. Im Allgemeinen sind die
Ortsgemeinden sowieso nicht besonders üppig mit Geld bestückt, um
bedeutende Anschaffungen tätigen zu können. Deshalb kann man auch
nicht erwarten, dass sie in dieser Richtung große Sprünge machen
werden.

Wir schließen uns deshalb dem Änderungsantrag der SPD an, dass der
Zuschuss für anfallende Anschaffungskosten auf 15.000 € pro
Ortsgemeinde erhöht wird.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Zu wenig Betreuungseinrichtungen für Senioren und Hausärzte

Stellungnahme von Dr. Rudolf Schneider von der Fraktion der LINKEN
im Westerwälder Kreistag zu Top 4 „Fortschreibung der
Pflegestrukturplanung für den Westerwaldkreis“, Top 5 „Fortschreibung
der Seniorenpolitischen Konzeption für den Westerwaldkreis“ und Top 6
„Änderungen der Richtlinien zur Förderung von Maßnahmen im
Zusammenhang mit der Umsetzung der Seniorenpolitischen Konzeption“
in der Kreistagssitzung vom 31.03.2023:

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen & Kollegen,
sehr geehrte Damen & Herren,

zunächst möchte ich allen, die an der Fortschreibung des
Pflegestrukturplanes mitgewirkt haben, meinen verbindlichsten Dank
aussprechen. Damit ist eine wichtige Sache fachkundig erstellt worden.
Die Mühe und die Zeit, die in diese Expertise gesteckt worden sind,
haben sich sicher gelohnt. Darauf aufbauend wurde auch die
Seniorenpolitische Konzeption für den Westerwaldkreis fortgeschrieben
und um die „Digitale Kompetenz und Teilhabe“ ergänzt. Auch wenn sich
vielleicht noch manche Senioren mit der Digitalisierung schwertun,
müssen wir heute davon ausgehen, dass die meisten ein Smartphone
besitzen und damit künftig ihre Kommunikation gestalten werden.
Insofern ist es nur folgerichtig, wenn hier Hilfen angeboten werden, um
die Mutigen unter den Älteren zu unterstützen. Auch den an der
Fortschreibung der Seniorenpolitischen Konzeption Beteiligten gilt
meinen Dank. Wir von der Fraktion der LINKEN werden beiden
Beschlussvorschlägen zustimmen. Des Weiteren sind wir auch für die
Änderung der Richtlinien zur Förderung von Maßnahmen im
Zusammenhang mit der Umsetzung der Seniorenpolitischen Konzeption.
Eine finanzielle Aufstockung der Förderung halten wir für angebracht.
Doch wenn auch die Erstellung dieses Pflegestrukturplanes ein wichtiges
Hilfsmittel zu Steuerung und Organisation künftiger Strukturen darstellt,
so stimmt es doch bedenklich, dass der Gesetzgeber hier keine
Instrumente zur Steuerung der Angebotspalette verbindlich festgelegt
hat. Zwar sollen die Träger der Pflegerischen Leistungen und die

Organisationen der Selbsthilfe mit eingebunden werden, doch
beschränkt sich die Aufgabe des Landkreises hauptsächlich darauf, die
verschiedenen Angebote zu koordinieren und zu moderieren, und zwar
hauptsächlich im Rahmen einer Pflegekonferenz. Da die Leistungsträger
jedoch selbständig sind und untereinander konkurrieren, kann die
Koordinierung nur entlang des Wettbewerbs verlaufen.
Steuerungsmöglichkeiten von Seiten der Kreisverwaltung sind dadurch
erschwert.

Entsprechen listet der Pflegestrukturplan Probleme auf. So wird in einer
Reihe von Verbandsgemeinden von einem Überangebot an
vollstationären Pflegeplätzen berichtet. Andere Verbandsgemeinden
hätten dagegen noch Luft. Doch auf Angebote dieser Art hat die
Kreisverwaltung leider keinen Einfluss, denn eine Erweiterung des
Angebotes unterliegt in Rheinland-Pfalz ausschließlich den Kräften des
freien Marktes.

Ähnlich sieht auch die Situation bei der Kurzzeitpflege aus. Auf dem
Papier gibt es, gemessen am Bedarf, zwar ausreichend
Kurzzeitpflegeplätze. Trotzdem bedarf es mitunter 40 Anfragen, bis ein
Kurzzeitpflegeplatz gefunden werden kann, weil nur die Einrichtungen
selbst die Belegungen regeln. So gibt es keinerlei rechtliche Handhabe,
die Einrichtungen zur Aufnahme von Kurzzeitpflegegästen zu
verpflichten. Es gibt auch keine landesweite Plattform, die freie Plätze
anzeigt, denn mit den Belegungen werden in erster Linie monetäre
Interessen verfolgt. Ganz anders sieht die Situation dagegen in
Nordrhein-Westfalen aus. Auf Grundlage einer gesetzlichen
Verpflichtung können sich dort Interessierte tagesaktuell die freien Plätze
für Kurzzeit- und Dauerpflege in einer Online-Plattform anzeigen lassen,
weil das Land Nordrhein-Westfalen die Einrichtungen dazu gesetzlich
verpflichtet hat.

Nicht zum ersten Mal zeigt sich, dass bei Einrichtungen des
Grundbedarfs der freie Markt die Steuerung nicht zuverlässig regeln
kann. Offensichtlich scheinen sich die Ziele der Wohlfahrt und der
Gewinnmaximierung fundamental zu widersprechen.
Ein anderes grundlegendes Problem im Pflegestrukturplan scheint der
Fachkräftemangel zu sein, und zwar sowohl bei den Ärzten wie auch bei

den Pflegekräften. Wie Sie alle wissen, versuchen gerade immer mehr
Landkreise angehende Ärzte aufs Land zu locken, indem sie ihnen hohe
Summen bei ihrer Ausbildung versprechen. Aber weil das inzwischen
nahezu alle ländlich geprägten Landkreise tun, wird sich die allgemeine
Situation dadurch nicht wesentlich verbessern lassen, sondern eher
dazu führen, dass finanziell weniger gut dastehende Landkreise noch
weiter ins Hintertreffen geraten. Man müsste wohl strukturell etwas
ändern, wenn sich die allgemeine Lage ändern soll. Dies lässt sich aber
auf Ebene der Kreisverwaltung kaum durchführen. Ähnlich sieht es mit
den Pflegenden Kräften aus. Um mehr Menschen in Pflegeberufe zu
bringen, müssten wahrscheinlich die Arbeitsbedingungen anders
werden, allen voran die Bezahlung der Pflegekräfte – ein Unterfangen,
das wir auf Kreisebene nicht ändern können. Doch was wir tun sollten,
ist: Wir sollten uns geschlossen dafür einsetzen! Dann wäre schon viel
erreicht.

Die Lebensqualität und Attraktivität einer Kommune hängt in hohem
Maße vom Angebot der Alltagsversorgung, der Verfügbarkeit von
Betreuungseinrichtungen und dem Vorhandensein eines Hausarztes ab.
Der Pflegestrukturplan kommt aber zu dem Ergebnis, dass ein
entsprechendes Angebot in den Gemeinden des Westerwaldkreises
vielerorts bedroht oder bereits verschwunden ist.
Anlass zur Sorge gibt unter anderem die Entwicklung im Einzelhandel,
und zwar sowohl im Allgemeinen als auch bei Anbietern der
Grundversorgung im Besonderen. Die meisten Anbieter gehen heute zu
großen Märkten in Gewerbegebieten über. Dies verlangt jedoch eine
entsprechende Mobilität der Menschen, worüber ältere Menschen immer
weniger verfügen. Der Pflegestrukturplan berichtet deshalb von vielerlei
Bemühungen, sowohl eine wohnortnahe Grundversorgung
sicherzustellen als auch Mobilitätsangebote zu fördern. Wenn diese
Bemühungen auch zahlreich und oft kreativ sind, werden sie einen
älteren Menschen jedoch nur schwerlich davon überzeugen können,
freiwillig auf das Auto zu verzichten, zumindest solange dieser jemand
noch fahren kann.

Ich habe deshalb einmal in der Verbandsgemeinde Montabaur nach
Möglichkeiten gesucht, Lebensmittel per Internet bei einem lokalen Markt
zu bestellen und nach Hause liefern zu lassen. Das könnte älteren

Menschen in der Tat weiterhelfen, wenn sie die Hürde des Internets
einmal genommen haben. Zumindest in Zukunft könnte man sich
vorstellen, dass so auf die eine oder andere Autofahrt verzichtet werden
kann, von den Einsparungen an Zeit einmal ganz zu schweigen.
Möglichkeiten, mir die gewünschten Waren in einem Paket
zusammenzustellen, gab es tatsächlich mehrere. Doch gab es keinen
Lebensmittelmarkt, der bereit wäre, diese zusammengestellten Pakete
zu mir als Kunden nach Hause zu bringen. Holen muss man also seine
Waren immer noch selbst. Dies ist leider bedauerlich und ließe sich
ändern, wenn man nur wollte. So viel zum Stand, wie weit wir in
Angelegenheiten der Senioren tatsächlich sind.
Wie eingangs erwähnt, sind wir von der Fraktion der LINKEN dem
Pflegestrukturplan prinzipiell zugeneigt und werden deshalb den
Beschlussvorschlägen zustimmen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

 

Radwegekonzept für Alltagmobilität zeigt wohin es gehen könnte

Stellungnahme von Dr. Rudolf Schneider von der Fraktion der LINKEN
im Westerwälder Kreistag zu Top 7 „Radwegekonzept für Alltagsmobilität
im Westerwaldkreis“ in der Kreistagssitzung vom 31.03.2023:

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen & Kollegen,
sehr geehrte Damen & Herren,

bevor ich auf einige Punkte näher eingehen werde, möchte ich das
„Radwegekonzept für Alltagmobilität im Westerwaldkreis“ zunächst
einmal umfassend würdigen. Auf jeden Fall sehen wir von der Fraktion
der LINKEN darin einen großen Wurf und möchten uns bei allen
bedanken, zum Einen dass sich der Kreistag zur Erstellung eines
Radwegekonzeptes überhaupt entschlossen hat und zum Anderen, dass
das Planungsbüro jetzt ein solches vorlegt.

Um eine ganzheitliche Mobilitätswende und Klimaneutralität zu
erreichen, müssen die Potentiale des Radverkehrs unserer Meinung
nach unbedingt genutzt werden. Zumal da mit den heutigen, elektrisch
unterstützen Fahrrädern entscheidende Hürden weggefallen sind. So
sind heute die starken Steigungen in unserer Westerwaldregion keine
unbezwingbaren Hindernisse mehr. Auch Senioren oder unsportliche
Naturen können heute problemlos Fahrradfahren, ohne dass ihnen die
Puste ausgeht. Deshalb hat sich der Fahrradabsatz seit 2018 bis heute
mehr als verdoppelt. Es wäre deshalb mehr als ein Wegschauen, wenn
man diesen Trend nicht ausnützen würde, zumal da er den nationalen
klima- und verkehrspolitischen Erfordernissen sehr entgegenkommt.
Halten wir also fest: Die Menschen heute wollen nicht nur in ihrer Freizeit
Fahrrad fahren, sondern auch ihr Auto teilweise durch das Fahrrad
ersetzen. Und sie haben sich zu diesem Zwecke oft kostspielige Räder
angeschafft. Deshalb ergeht an die Kreis- und Kommunalverwaltung der
Auftrag, mehr Sorge darauf zu verwenden, dass man dieses Equipment
auch sinnvoll einsetzen kann.

In dem vorliegenden „Alltagsradwegekonzept“ steht der wegweisende
Satz: „Derzeit sind 40 % aller Pkw-Wege nach 5 km am Ende, und
genau in dieser Entfernung der Kurzstrecken steckt das größte Potenzial
für den Umstieg auf das Fahrrad, finden doch 90 % aller mit dem
Fahrrad zurückgelegten Wege auf einer Länge bis zu 5 km statt!“
Wenn man nun sein teuer erstandenes Pedelec nutzen will, dann sind
entsprechende Radwege das eine, das andere aber sind
Fahrradabstellanlagen, mit denen man sein Rad vor Diebstahl,
Vandalismus und Witterungseinflüssen schützen will.
An letzterem mangelt es aber laut Bericht fast mehr als an brauchbaren
Radverbindungen. So heißt es: „Der steigende Durchschnittswert eines
Rades und der zunehmende Anteil von Pedelecs am Fahrradaufkommen
machen eine sichere Verwahrung unabdingbar.“ Wir brauchen also nicht
nur neue Fahrradwege, sondern auch sichere Abstellplätze, wenn man
mehr Fahrradmobilität will. In diesem Zusammenhang kommt auch der
Schaffung von Ladestationen eine wichtige Rolle zu.
In dem vorliegenden Alltagsradwegekonzept wurde zwar eine grobe
Potenzialabschätzung bezüglich des Bedarfs an Fahrradabstellanlagen
gemacht. Doch „für eine detaillierte Planung sollte nochmals eine
detaillierte Bedarfsabschätzung erfolgen“ – heißt es im Text. Das
Konzept ist also offensichtlich noch nicht am Ende, sondern in gewissem
Sinne erst am Anfang.

Nur Verkehrsschilder mit niedrigeren Höchstgeschwindigkeiten
aufzustellen und ein paar neue Radwege auszuweisen, wird nicht
ausreichen, um eine Verkehrswende einzuläuten. Wem sein Drahtesel
einmal geklaut worden ist, der wird sein Heiligs-Blechle nur noch auf
Strecken einsetzen, die erwarten lassen, dass er sein Rad wieder heil
nach Hause bringt. Hier muss man ganzheitlich denken und sich in die
Bedürfnisse des Radfahrers versetzten. Denn wenn am Ende der
potenzielle Radfahrer doch lieber das Auto nimmt, dann brauchen wir
erst gar keine Radwege zu bauen.

Derzeit wird die Mobilität im Westerwaldkreis hauptsächlich über das
Auto erreicht und die meisten Haushalte im Westerwald haben
tatsächlich auch eines. Es wäre deshalb illusorisch, davon auszugehen,

dass die Westerwälder ihr Auto in Zukunft in ihrer Garage lassen
werden. Was tendenziell zunehmen soll, ist deshalb ein Mobilitätsmix,
also eine Kombination verschiedener Verkehrsmittel wie beispielsweise
Auto mit ÖPNV oder Rad. Auch Car-Sharing wird in diesem
Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen. Diese sogenannte
Intermodalität kann nur gefördert werden, wenn es im Kreis ein
ausreichendes Angebot an Mobilstationen gibt, an denen verschiedene
Verkehrsmittel miteinander verknüpft werden können. Der großzügige
Ausbau und Umbau dieser Plätze wird deshalb die Herausforderung des
nächsten Jahrzehnts werden. Und von diesem Ausbau von
Mobilstationen wird es auch abhängen, ob es uns langfristig gelingen
wird, immer mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf das Fahrrad zu
bewegen.

Nichtsdestotrotz wird man klein anfangen müssen. Bereits für das Jahr
2023 wurden im Kreishaushalt 600.000 € bewilligt, um erste Maßnahmen
des Alltagsradwegekonzeptes in die Tat umzusetzen. Dies wollen wir
unterstützen. Wir von der Fraktion der LINKEN werden uns deshalb nicht
verwehren, wenn es um die schnelle Umsetzung von Maßnahmen geht,
die der Mobilitätswende dienen, und befürworten deshalb den
vorgelegten Beschlussvorschlag.

Womit wir ebenfalls schnell anfangen sollten, wäre die Überprüfung aller
kommunalen Wegesatzungen auf die Freigabe der Nutzung von
Wirtschaftswegen durch den Radverkehr. Dies kostet nichts, schränkt
das Radkonzept derzeit jedoch erheblich ein. Allerdings ist uns bewusst,
dass es wohl noch eine Weile dauern wird, bis alle Behinderungen
aufgehoben sind.

In diesem Sinne und der Hoffnung, dass wir hier entscheidend
weiterkommen, danke ich Ihnen für die Aufmerksamkeit.